Malen mit Herz und Farbe
Wandgemälde in der neuen Hauptverwaltung

Das Künstlertrio innerfields hat die neue Hauptverwaltung der GAG in Köln-Kalk gestaltet. Ihre Flächen sind Wände. Mal im Außen- und mal im Innenbereich. Sie arbeiten oft großflächig und konzeptuell. Ihr Malstil ist vielseitig. Sie kommen aus Berlin und haben sich in Köln einem außergewöhnlichen Großprojekt gewidmet.
Von guten Freunden über Street Art zum Künstlerkollektiv
Hinter dem dreiköpfigen Künstlerkollektiv innerfields stehen Veit Tempich, Jakob Bardou und Holger Weißflog. Vor 15 Jahren schlossen sich die drei Freunde zusammen, die sich vorher in der Graffiti-Szene begegnet sind. “Wir haben uns tatsächlich auf der Straße kennengelernt”, erzählen Holger und Jakob rückblickend. „Dann merkten wir aber schnell, dass uns das Graffiti-Sprayen allein nicht weiter bringt und nicht mehr ausreicht. Wir wollten eine Message rüber bringen. Und so gründeten wir innerfields.”
Gewinner des GAG-Wettbewerbs
Die Gruppe arbeitet im urbanen Raum und gestaltet sowohl Außen- als auch Innenfassaden. Mit ihrem heterogenen Stil aus grafischen, zeichnerischen und malerischen Elementen konnten sie auch die GAG begeistern, die für die Gestaltung der Innenräume der neuen Hauptverwaltung in Köln-Kalk einen Wettbewerb ausgerufen hatte. Die Jungs von innerfields überzeugten mit einem Raumgestaltungskonzept, bei dem die Farben die Mitarbeiter und die Raumatmosphäre an sich nicht erschlagen sollte. Gleichzeitig wollte das Künstlerkollektiv kleine Geschichten erzählen und die GAG-Historie in Anekdoten auf den Wänden wieder geben.
Die Künstler hatten sich in Abstimmung mit der GAG die Aufgabe gestellt, mit möglichst wenigen Elementen unter anderem einen interessanten, gestalterischen Blick auf die Orte und Bezirke zu werfen, die die GAG mit ihren Siedlungen geprägt hat. “Wir stellen das dar, was wir im Herzen haben. Und hier bei der GAG haben wir das alles auch mit eingebaut. Wir lieben Köln und sind immer wieder gerne in der Stadt“, sagt Holger Weißflog, der sich zusammen mit seinen Kollegen auch viele historische Stadtaufnahmen angeschaut hat, um die insgesamt zwölf Wände zu gestalten, die sich mit Köln und den historischen GAG-Siedlungen beschäftigen. Zwölf Wandmotive eröffnen nun den Blick auf die Geschichte der Stadt Köln und der GAG.
Die Gründerzeit der GAG
Mit lasierenden Farben, in sanften Pastelltönen gehalten, haben sich innerfields selbstverständlich einem wichtigen Gründungsmitglied der GAG gewidmet. Ernst Cassel rief die GAG 1913 mit ins Leben. Später übertrug er sein Vermögen in die nach ihm benannte Ernst-Cassel-Stiftung, die heute noch Jahr für Jahr bedürftige Mieterinnen und Mieter unterstützt.
Das Wandgemälde zeigt neben dem Portrait Cassels einen zentralen Platz der Rosenhofsiedlung in Bickendorf. Den VW Käfer setzten die Künstler symbolisch für die Aufbruchsstimmung mit ins Bild. Der Baum im zarten Dunkelrosa steht für den Bezug zur Natur. „Wir haben hier extra keine knalligen Farben genommen, damit wir sowohl gleichzeitig eine Leichtigkeit im Raum als auch eine schöne Anmutung der Vergangenheit erzeugen können“, meint Jakob Bardou, der mit seinen beiden Mitstreitern drei Wochen lang an den zwölf Motiven vor Ort gearbeitet hat.
Im Sessel mit Konrad Adenauer
Dieses Wandmotiv zeigt den damaligen stellvertretenden Oberbürgermeister der Stadt Köln, Konrad Adenauer, zu dessen Füßen die Wandgestalter eine der ersten Vorzugsaktien der GAG im Wert von 100 Reichsmark malerisch platziert haben. Konrad Adenauer zählte zu den Mitinitiatoren und Ideengebern, die zur Entstehung der GAG maßgeblich beigetragen haben.
Die Zahlen des Gründungsjahres baumeln frei an einem Strommast. Die in historischen Looks mit zartem Pinsel dargestellten Kinder spielen auf dem Platz, der von einer strahlenden Sonne beschienen wird. „Wir lieben diese runden, grafischen Elemente in unseren Entwürfen, die dem Bild auch etwas Modernes verleihen“, erzählt der 39-Jährige Künstler Holger Weißflog. „Dieses Bild ist für uns sogar ein sehr sinnstiftendes Motiv, weil Konrad Adenauer als GAG-Mitbegründer auch für eine gewisse Wohnungsbaupolitik steht, die Leute unterschiedlicher Herkunft damals mit Strom und Wasser versorgte und ihnen nach den beiden Weltkriegen einen guten Lebensraum bieten wollte.” Diese Idee vom heimeligen Wohnen wird durch ein witziges Grafikelement kommentiert, das Holger und seine Kollegen auf einen Baum gemalt haben. Es ist ein schroff skizziertes Haus, das in einem Zug gezeichnet wurde und das den meisten als die „Das ist das Haus vom Nikolaus“-Kinderzeichnung geläufig ist.
Von Mottos, Brunnen und Aufbruchsstimmung
Auch für diesen Entwurf haben sich Holger, Jakob und Veit von historischen Fotos inspirieren lassen. „Das Schöne ist, dass man als Künstler unterschiedliche Stimmungen und Motive miteinander verbinden kann“, sagen die drei einstimmig.
Dieses Motiv zeigt einen historischen Brunnen aus den 1920er Jahren an einem Platz der Bickendorfer Siedlung und illustriert das in Brauntönen gehaltene, berühmte „Bickendorfer Büdchen“. Ein Junge läuft mit einem Luftballon umher, der auf die alte Zeppelin-Fabrik hinweist. Das runde, sonnenartige Element und die fast schon wie computeranimiert aussehenden blau angedeuteten Wolken „freshen das Motiv auf“, wie die Künstler sagen. Nicht zuletzt verweist der von den GAG-Architekten Caspar Maria Grod und Lothar Kaminski geprägte Spruch „Lich, Luff un Bäumcher“ (Licht, Luft und Bäume) auf das Motto des gesamten sozialen Wohnungsbaus in Köln.
Schräge Ideen
Den Wandkünstlern von innerfields macht es nicht nur Spaß, mit historischen Verweisen zu spielen, sondern auch mit einer freien Motivgestaltung. innerfields geht es immer um die Darstellung vom Zusammenleben zwischen Natur und Mensch oder um die Darstellung des Spannungsfeldes Natur, Industrie und Stadt.
Dieses Bild zeigt mit seinen dampfenden Schornsteinen den alten Industriestandort Kalk mit dem damaligen Chemiewerk. Durch die aus dem Boden wachsende gelbe Blume wird auf den verseuchten Boden angespielt, der wie ein Berg aufgeschichtet ist. Darin stecken zum Beispiel die alte Kalker Pfarrkirche, der Wasserturm oder die Stadtbibliothek. Der Spatz am linken Bildrand trägt eine Narrenkappe als Symbol für die Karnevalshochburg Köln, die, fatalistisch eingestellt, alles so nimmt wie „et kütt“ – wie es kommt.
Tierisch gut
Das Leben in Riehl ist unbeschwert, lustig und naturverbunden. Das zeigen die Berliner Wandkünstler auf diesem Motiv, das die Flora und die Seilbahn zeigt und auf den benachbarten Zoo anspielt.
Bei innerfields dürfen die wilden Tiere einfach frei herum laufen. Mitten drin die Naumannsiedlung der GAG. Da dieser Bezirk in den 1920er Jahren für seine Feierfreudigkeit bekannt wurde, verabreichte man ihm den Namen „De jolde Spetz“, erzählt Holger Weißflog. “Wir haben immer Einzelelemente aus den jeweiligen Bezirken genommen und sie neu sortiert und in ein gestalterisches Prinzip übertragen. So dass es zwar lebendig ist, aber einen nicht überfrachtet.“
Es grünt so grün in Höhenberg
“Wir haben heraus gefunden, dass die Germaniasiedlung in Höhenberg eine total kinderfreundliche Siedlung ist, in der man sich auch mit dem Fahrrad bewegen kann. Deshalb wollten wir da unbedingt ein strahlendes Mädchen über die Gebäude schauen lassen“, erzählt Veit Tempich.
Dem für Kölner Gefilde typischen Halsbandsittich haben die Wandgestalter einen Heiligenschein aus Blautönen verpasst. Übrigens ist der Heiligenschein ein grafisches Element, das die Gestalter sehr gerne auf Wände malen.
Großer Junge, kleines Häuschen
Für Veit Tempich war es ein großer Spaß, aus der Siedlung Blauer Hof in Buchforst eine Miniatur zu machen. “So dass der Junge sich spielerisch mit Architektur auseinandersetzen und identifizieren kann”, erzählt der Künstler.
Bei den dreiwöchigen Malarbeiten in der Hauptverwaltung teilten sich die Gestalter von innerfields die Arbeit untereinander auf. Jeder war für bestimmte Motive und Aufgaben zuständig und beriet, wenn es nötig war, den anderen während des jeweiligen Malprozesses.
Multikulti mit Fuchs
Als Symbol für die Natur und als altes Wappentier Ehrenfelds muss der Fuchs natürlich auf das Motiv mit drauf. Zu sehen ist auch eine neue Siedlung der GAG am Grünen Weg, flankiert von einem Teil der alten Stadtmauer und dem Heliosturm.
Die fast schon schattenhaft angedeuteten Schornsteine verweisen auf eine vergangene Hochzeit der Industrie. Mit der als Schattenriss dargestellten Zentralmoschee spielen innerfields auf das multikulturelle Leben in der Stadt an und wollen mit ihrer Wandkunst eine Diskussionskultur mit hinein bringen. Ein Anliegen, was sich wie ein roter Faden durch das langjährige Schaffen der Berliner Künstler zieht.
Gestern und heute
Die GAG-Siedlung am Buchheimer Weg in Ostheim aus den 1950er Jahren war eine Mustersiedlung, in der viele junge Menschen lebten. Deshalb ist auch der Junge zu sehen, der eine große, silberne Kugelskulptur hält, die die Umgebung reflektiert.
Als spielerisches Element bedeutet sie die Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart. Die alte Siedlung wurde durch moderne Neubauten ersetzt, ebenfalls neu ist das Waldbadviertel. Die Taube mit dem Käppi auf dem Kopf ist ein humorvoller Verweis auf die soziale Durchmischung der Siedlung, in der sich noch ein alter Meilenstein in Obeliskform befindet.
Knallig im Foyer
Haben sich innerfileds für die Gestaltung der GAG-Innenräume generell eher für weiche, mit Grau und Weiß abgemischte Farben entschieden, so gehen sie im Foyer der Hauptverwaltung knalliger vor.
Das markante Rot des Tresens am Eingang auffangend, wollen sie den Besucher mit kleinen Stadtimpressionen und urbanen Interpretationen begrüßen. Die großformatige Wandmalerei zeigt das Leben in der Stadt, in der man auch einmal im Freien arbeiten und die Sonne genießen kann. Der Hirsch symbolisiert einen von unzähligen Charakteren, die einem in einer Metropole wie Köln begegnen können.
Katze auf Erkundungstour
„Mit der Katze wollten wir eine Person symbolisch darstellen, die vielleicht neu in Köln ist und mit der Bahn unterwegs ist. Tja, und Tauben gibt es ja auch viele. Sie stehen auch für Kommunikation, weil sie ja miteinander schnäbeln“, lächelt Jakob Bardou.
Er zeigt auf das Straßenbahn-Haltestellenschild, auf dem sich ein Pferd als grafisches Symbol eingeschlichen hat. Humor lieben die drei Herren von innerfields eben auch.
Füchschen liest am Dom
Mit der cremeweißen Grundfarbe der Wände als Untergrund kommen die von innerfields verwendeten satten Lila-, Senf- und Rottöne gut rüber. Fast schon wie Blaupausen wirken der Dom und der Hauptbahnhof im Hintergrund.
Beide Bildelemente sind mit einer Art Aquarelltechnik ganz fein aufgetragen worden. Der Fuchs hat sich die Domplatte als Wohnzimmer ausgesucht; begleitet von den Vögeln, die für Freiheit stehen.
Von Heiligenscheinen, New Media und blinden Flecken
Vier zusätzliche Motive aus einer innerfields- Motivserie
innerfields-Bildmotive entstehen als Entwürfe am Computer. Dann werden sie als Malerei auf unbehandelte Leinwände gemalt und sind auch auf große Außen- und Innenflächen übertragbar. Dabei dient die pure Leinwand oder die vorgefundene Hauswandfarbe als Hintergrund, auf den die jeweiligen Motive in flexiblen Farb- und Gestaltungsvarianten aufgebracht werden können.
Neben den zwölf historisch angehauchten Motiven haben innerfields zusätzlich noch vier Motive auf vier Stockwerken der Hauptverwaltung verteilt angebracht. Sie stammen aus der Serie „Blind Spot – Blinder Fleck“. „Die Serie entstand ab 2012 und umfasst mittlerweile 40 verschiedene Bildmotive, von denen wir für die GAG vier ausgewählt haben“, erklärt Jakob Bardou.
Morgenritual
Das Bild “Ritual” ist eines der vier Serienmotive. Inhaltlich geht es um ein morgendliches Ritual, oder besser gesagt um ein Ablenkungsmanöver. Entweder man liest morgens die Zeitung oder, viel häufiger noch, man schaut auf das Handy oder in den Computer. Das Goldfischglas symbolisiert die selbstauferlegte allmorgendliche Blase, in die man sich selbst hinein begibt.
“Das Bild beruht auf einem Gefühl. Und die weiße Fläche, die einen Computer andeutet, ist auf allen unseren Bildern immer eine Anspielung auf etwas Technisches, Cleanes und Mediales“, sagt Holger Weißflog, der das Bild zusammen mit dem 37-jährigen Veit Tempich gemalt hat.
Eingebung
Im zweiten Stock des Gebäudes trifft man auf die „Eingebung“. Der Mönch beugt sich nach vorne, nimmt eine krumme Haltung ein, die er als disziplinierter Geistlicher sonst nicht einnehmen würde. Doch er ist vom Handy abgelenkt. Er sitzt auf einem Tiger, der die ursprüngliche Kraft symbolisiert. Doch scheint er zu schlafen, weil der Mönch ihn völlig übersieht.
Rückblickend auf den einmonatigen Malprozess hält Veit Tempich fest, dass ihnen viel Gestaltungsfreiheit eingeräumt wurde. “Da konnte was entstehen, wenn man mit dem Herzen arbeiten kann. Wir fanden die offene Stimmung der Leute hier inspirierend. Das fließt natürlich alles in unsere Arbeit mit rein. Man inspiriert sich gegenseitig. Und Spaß ist eine Sache, die es hier bei der GAG reichlich gab.“
Trialog
“Das Motiv ‚Trialog‘ hinterfragt, ob die kindliche Fantasie in unserer Welt überhaupt noch eine Rolle spielt“, meint Jakob Bardou nachdenklich. Der Bär steht für die Natur, die Neugierde, die Magie und die Fantasie. Dem Bären fällt das Krönchen vom Kopf, weil das kleine Kind ihn nicht mehr für wichtig zu halten scheint.
„Übrigens“, ergänzt der 39-Jährige Jakob, „mein kleiner Sohn war Vorbild für die Jungenfigur. Meine Frau hatte ihm diesen lustigen Pony verpasst“.
Nahblind
Das vierte und letzte Motiv aus der „Blind Spot“-Serie heißt „Nahblind“. Es zeigt, wie es aussieht, wenn Heiligenscheine von ihrer ursprünglichen Position abweichen und verrutschen. Das, was heilig ist, sind die Handys in der Hand. Die Heiligenscheine sind aus echtem Blattgold gefertigt und direkt auf der Wand angebracht. Auf dem Motiv nehmen sich die junge Frau und der junge Mann gar nicht wahr, meint Wandkünstler Jakob Bardou.
“Für uns übernehmen diese neuen Medien teilweise die Rolle der Religion in der Gesellschaft. Smartphones funktionieren wie Reliquien, die man unbedingt einmal in den Händen halten will und für die neuesten Versionen auch in der Schlange vor einem Laden ansteht. Ich möchte das jetzt gar nicht kritisieren. Aber es ist eine Aufforderung, sich selbst zu hinterfragen. Wo geht das alles hin, wenn wir nicht mehr direkt miteinander kommunizieren?“
Mit der aufwendigen Gestaltung der Innenwände der GAG-Hauptverwaltung geben die drei Künstler von innerfields aber einen schönen und interessanten Anlass zur Kommunikation. Für Mitarbeiter und Besucher. Und das auf verschiedenen Ebenen, womit nicht nur die Stockwerke des Gebäudes gemeint sind.