Chorkonzert als Schlussakkord
Babylonische Strafe? Babylonischer Reichtum! — Veranstaltungsreihe "Mehr babylonisches Vergnü:)gen"

In Kirchen wird seit jeher außer dem Glauben auch die Kultur gepflegt – in all ihrer bildnerischen, musischen und literarischen Fülle. An diese Tradition knüpft die GAG an, in deren Gebäude-Portfolio vor einigen Jahren die Auferstehungskirche Buchforst Eingang gefunden hat. Seit 2012 etabliert Kölns größtes Immobilienunternehmen dort unter dem neuen Label „Kulturkirche Ost“ ein Nebeneinander gelebten Glaubens und praktischer Kulturarbeit.
Gäste aus Indonesien
Wie bereichernd ein solcher Ort für einen Stadtteil sein kann, zeigte das große, bestens besuchte Abschlusskonzert der Veranstaltungsreihe „Mehr babylonisches Vergnü:)gen“. Kuratorin Jane Dunker versammelte vier (!) Chöre im trapezförmigen Rund der Kulturkirche Ost, um ihre seit Anfang August präsentierte Ausstellung mit 140 Schwarz-Weiß-Fotografien Motto-gerecht ausklingen zu lassen. Schließlich waren die Sänger nicht nur aus Wesseling (Cantisto, Leitung: Norman E. Kunz), Höhenhaus (ChorImTakt, Leitung: Simon Rummel) und der Innenstadt (Gebärdenchor St. Georg, Leitung: Dr. Juliane Mergenbaum) angereist, sondern in Gestalt des Spectrum Ladies Choir (Leitung: Ganda Charisma Christi und Johan Kanani Tarigan) sogar aus Surabya, Indonesien.
Ungewöhnlich vielzüngig also wurde gesungen und kommuniziert: auf Deutsch, Englisch, Schwedisch und Indonesisch, außerdem in Gebärdensprache und in Gestalt von Ina Seiffert in der Ausdrucksform des Tanzes. Viel größer dürfte die linguistische Vielfalt auch beim Turmbau zu Babel nicht gewesen sein.
Ist es nicht ein Vergnügen, dass es so viele Menschen gibt, die unterschiedliche Sachen machen?
Ausstellungsmacherin Dunker – in Köln lebende Fotokünstlerin und Dozentin für Soziale Fotografie mit indonesischer Herkunft – kehrte den babylonischen Fluch zu Beginn des Konzerts ins Positive: „Die Strafe Gottes ist abgesessen“, gab sie den Zuhörern mit auf die musikalische Reise, „die vielen Sprachen auf der ganzen Welt sind eine Bereicherung für uns alle. Ist es nicht ein Vergnügen, dass es so viele Menschen gibt, die unterschiedliche Sachen machen?“
Patricia Hoepp, bei der GAG mitverantwortlich für das Programm der Kulturkirche Ost, knüpfte an diese Deutung an: „Es war uns wirklich ein Vergnügen! Wir sind glücklich und auch ein bisschen stolz, dass wir mit Jane Dunker zusammenarbeiten durften.“
Chöre im Zusammenklang
Mit ihrem ersten Beitrag gaben Cantisto die Richtung vor, einer gefühlvollen Interpretation des Louis-Armstrong-Klassikers „What a Wonderful World“. Es folgte ein Chorduett mit ChorImTakt, ein luftig-leichtes Sommerlied in schwedischer Sprache. Immer wieder kombinierten die Chöre im folgenden Programm ihre Stimmgewalt und nutzten dabei den üppigen Klangraum Kirche so weit wie möglich aus. Die Sänger positionierten sich an unterschiedlichen Standorten und erzeugten so einen harmonischen Vielklang – quasi in „Stereo“.
Überhaupt bereitete es Simon Rummel, der als musikalischer Leiter durch den rund zweistündigen Gesangsabend führte, sichtlich Vergnügen, die unterschiedlichen Chöre zu kombinieren. Besonders beeindruckend gelang dies bei „Oh Happy Day“, das die Indonesier gemeinsam mit dem Gebärdenchor St. Georg intonierten und bei dem sich Chorleiter Ganda Charisma Kristi als herausragender Solosänger präsentierte, sowie beim Finale „Oh Du stille Zeit“, das alle vier Chöre gemeinsam vortrugen.
Einen effektvollen Bruch in diesem vielstimmigen Zusammenklang erzeugte der Auftritt von Ina Seiffert, die zu Klängen tanzte, die nur sie allein in ihrem Kopfhörer hören konnte. Unerwartet fanden sich die Zuhörer so in der Position eines Gehörlosen wieder.
Langer und stiller Applaus
Jane Dunkers Fazit fiel im Anschluss entsprechend fröhlich aus: „Das war ein tolles Experiment“, sagte sie, „zumal die Sänger des Spectrum Ladies Choir erst heute angekommen sind und nur eine Stunde Zeit für gemeinsame Proben waren.“
Es gibt offenbar eine Sprache, die alle Sprachbarrieren überwindet: die Musik. Das Publikum dankte es Sängern und Veranstaltern mit lang anhaltendem, wenn auch nicht immer lautem Applaus. Im Verlauf des Konzerts hatten viele Besucher die internationale Taubstummen-Geste für Beifall angenommen: beide Arme mit wackelnden Handgelenken zum Gruß erhoben.
Fotos: Max Grönert