Gitarrenkonzert
"Six Silver Moonbeams"Gitarrist Jens Müller-Herrou zwischen Barock und Pop

Einen weiten musikalischen Bogen vom Barock in die Gegenwart spannte Jens Müller-Herrou mit seinem Konzertabend für die Akustik-Gitarre.
„Six Silver Moonbeams“ hat Jens Müller-Herrou sein zwischen Barock und Pop, zwischen Scarlatti und Sting oszillierendes Programm überschrieben. Bei diesen silbernen Strahlen des Mondes handelt es sich um eine poetische Metapher, mit der Agustín Barrios Mangoré in seinem Gedicht „Profesión de Fe“ die sechs Saiten der Gitarre beschrieben hat. Darin versucht er, das Geheimnis dieser mysteriösen Holzkiste zu ergründen, die solch wunderbare Töne hervorbringt. Mit frisch gestimmten Mondstrahlen vor der Brust nahm Müller-Herrou vor gut gefüllten Besucherreihen Platz unter dem Firmament der Kulturkirche Ost in Köln-Buchforst, deren Deckenkonstruktion – Zufall oder nicht – acht mächtige, als Dachbalken fungierende Sonnenstrahlen zieren.
Die Gestirne standen also günstig für einen gelungenen Konzertabend, den der in Lohmar lebende und an der Kölner Musikhochschule ausgebildete Virtuose (Jahrgang 1966) ganz klassisch, pardon, barock begann: mit drei ursprünglich für Cembalo geschriebenen Sonaten des italienischen Komponisten Domenico Scarlatti (A-Dur K 322, A-moll K 481 und D-Dur K 335). Dass die Stücke eher spanisches Flair verströmten anstelle eines streng-barocken, mag am Klang der Gitarre selbst liegen, die in ihrer heutigen Form in Spanien entstanden ist und für das spanische Lebensgefühl steht. Müller-Herrou lieferte aber noch einen weiteren Grund: Scarlatti, der viele Jahrzehnte in Madrid und Sevilla gelebt hat, habe sich gerne und oft von der hiesigen Folklore inspirieren lassen.
Fußnoten als Fingerübungen
Ebenfalls mit einer barocken Kompositionsform, dem Menuett, gleichwohl nicht weniger unkonventionell ging es weiter im Programm: Die „Seis Minués“ hat der vor zwei Jahrhunderten in Peru und Bolivien lebende Tondichter Pedro Ximénes Abril Tirado geschrieben. Trotz seines überaus klangvollen Namens war sein Werk, das hunderte große Sinfonien, Messen und Chorwerke umfasst, zwischenzeitlich in Vergessenheit geraten und erst vor wenigen Jahren neu entdeckt worden. Die volkstümlich-virtuosen „Seis Minués“ für Gitarre sind in diesem riesigen Oeuvre kaum mehr als Fußnoten oder, passender ausgedrückt, Fingerübungen, mit denen sich der Meister die Zeit vertrieben haben soll.
Auf Tirados zauberhafte Miniaturen, die Müller-Herrou gekonnt spielerisch interpretierte, folgten vier Stücke des schon eingangs erwähnten südamerikanischen Komponisten Agustín Barrios Mangoré, dem das Motto des Abends von den sechs Mondstrahlen zugeschrieben wird. Zu Lebzeiten (1885 – 1944) nannte man ihn den „Paganini der Gitarre aus dem Dschungel Paraguays“. Er reiste viel über den südamerikanischen Kontinent und verarbeitete Ideen und Techniken, die er unterwegs aufschnappte wie das Tambour-Spiel oder künstliche Flageoletts, in seinen teilweise überraschend kurzen, vor Spielfreude überbordenden Stücken. „Einer der besten Komponisten für unser Instrument“, sagte Müller-Herrou. Ein Statement, dem die meisten Zuhörer wohl gerne zustimmten.
Strapazierte Saiten, besondere Klänge
Ein ähnlicher Revolutionär des Gitarrenspiels wie Mangoré, wenn auch ein knappes Jahrhundert später, ist der 1979 geborene US-Amerikaner Andy McKee. Müller-Herrou hatte drei Stücke des Internet-Stars ins Programm genommen: das jazzige „Art of Motion“, das träumerische „For My Father“ mit sanft-reibenden Harmonien und das vom Rhythmus der Schlaghand dominierte „Rylynn“, mit knapp 30 Millionen Aufrufen einer seiner größten Hits auf der Video-Plattform YouTube. McKee experimentiert viel mit unterschiedlichen Stimmungen, weg vom E-A-D-G-H-E-Standard. „Er strapaziert die Saiten teilweise sehr heftig“, erklärte Müller-Herrou, „aber erzielt dadurch besondere Klänge.“
Dieser immer wieder überraschenden klanglichen Vielseitigkeit wegen hat Hector Berlioz die Gitarre einmal als „Miniatur-Orchester“ geadelt. Müller-Herrou ließ sich davon zu eigenen Bearbeitungen einiger Stücke von Sting anspornen, mit dessen Band Police er in den 80er Jahren aufwuchs. Besonders beeindruckend gelang ihm die Interpretation des Songs „Moon Over Bourbon Street“: dreistimmig arrangiert, mit dem charakteristischen „Walking Bass“ wirkte der Song fast spanisch-barock.
Anhaltender Applaus, spanische Zugabe
Das Publikum spendete nichtsdestoweniger anhaltenden, verdienten Applaus. Jens Müller-Herrou dankte mit drei Zugaben, darunter das Stück „Fandanguillo“ von Federico Moreno Torroba. Schließlich sei, befand Müller-Herrou, „das Spanische heute Abend ein wenig zu kurz gekommen“.
Website von Jens Müller-Herrou