Integratives Konzert
Alle haben die gleichen Themen — Integrativer Tanz- und Konzertabend

Mit einer trendigen Cargohose, rotem T-Shirt über dem muskulösen Oberkörper und einer coolen Sonnenbrille bestätigt schon der erste Blick, was Jane Dunker schmunzelnd sagt: „Victor, du bist eine echte Rampensau!“ Victor (25) nutzt die Gelegenheit, um Jane Dunker und dem Publikum zu verraten: „Eigentlich nenne ich mich Bushido!“ Die Fotokünstlerin lacht. „Victor gefällt mir besser“, meint sie.
Im Zusammenhang mit ihrer Ausstellung „Mehr babylonisches Vergnügen“ gab es einen temperamentvollen Konzertabend, bei dem sich außergewöhnliche Musiker die Klinke in die Hand gaben. Den Auftakt von „Musik! Musik! Und Tanz-Einblicke!“ bildete „Kabelsalat“, eine Rock- und Popband vom JULE-Club der Lebenshilfe. „Kabelsalat“ besteht aus acht jungen Leuten, die von der Lebenshilfe begleitet werden, und ihren fünf Betreuern. So passen sie bestens zu Dunkers Fotoprojekt, deren Aufnahmen Schauspieler mit und ohne Behinderung zeigen, die das Theaterstück „Babylon“ gemeinsam auf die Bühne brachten.
„Mich fasziniert die Arbeit mit geistig behinderten Menschen, weil sie so direkt sind. Es gibt keine falschen Töne bei ihnen, sie sind immer authentisch“, erklärt Dunker ihre Motivation: „Bei sogenannten normalen Menschen weiß man manchmal gar nicht, woran man ist.“ Überhaupt sei die Grenze zwischen „behindert“ und „nicht behindert“ sehr fließend. „Woran messen wir das denn?“, fragt sie: „Daran, ob jemand fähig ist, etwas für das Bruttosozialprodukt zu tun?“ Man müsse sich einmal vor Augen führen, welche Tragik im Zusammenhang mit der Bankenkrise durch einige Banker über die ganze Gesellschaft gebracht worden sei. „Ist es besser, wenn Menschen so sind? Ich glaube nicht. Für mich sind das Menschen mit einer geistigen, oder zumindest mit einer seelischen Behinderung.“
Auch „Kabelsalat“ steht für fließende Grenzen. Für ein Projekt, bei dem es nicht darauf ankommt, wer als Betreuer dabei ist, und wer als ein betreutes Mitglied der Band. „Wir sind Kabelsalat“, singen sie, und die Namen der Beteiligten stehen gleichwertig nebeneinander. Alle tragen lässige Klamotten, tanzen über die Bühne, motivieren das Publikum zum Mitklatschen. Bei „Kabelsalat“ spielt es keine Rolle, wer die kompliziertere Aufgabe übernimmt, die Akkorde auf Bass und Gitarre zu greifen, und wer den einfacheren Part spielt, nämlich auf und ab über die Saiten streicht.
In den Songs geht es um Themen, die jeder kennt. „In der Werkstatt stehen, das heißt Arbeit, Arbeit, Arbeit, ich bau‘ Schrauben ein für Ford“, lautet es in einem Text. „Funkstille“ hingegen erzählt von den Sorgen, die man sich macht, wenn man jemanden, den man gerne hat, nicht erreichen kann.
„Die Themen sind immer die gleichen, bei Kabelsalat genauso wie beim Blues: Es geht immer darum, ob es mit dem Freund oder Freundin klappt“, stellt Michael Walter (57) fest, der im Anschluss an die Band der Lebenshilfe auftrat. Walter spielt Blues und Gospels auf einem ganz besonderen Instrument: Aus Zigarrenkisten baut er Gitarren. Mehrere von ihnen hatte er in die Auferstehungskirche mitgebracht und zeigte einem entzückten Publikum, welch melodische Klänge sich diesen „Zigarrenboxgitarren“ entlocken lassen.
Abgerundet wurde der Abend vom Auftritt des Duos Gitta Roser und Marc Stuhlmann. Als Mitglieder der DIN A13 tanzcompany gaben sie mit verschiedenen Tanzfilm-Ausschnitten einen Eindruck davon, wie viel Ausdruck sich in ganz unterschiedliche Formen von Tanz und Choreographie legen lässt. Das Besondere der DIN A13 tanzcompany: Gegründet wurde sie von Gerda König, einer studierten Choreographin, die selbst seit ihrer Kindheit im Rollstuhl sitzt.