Ausstellung
Vor dem Hintergrund der NSU — Oliver Bottini: "Im weißen Kreis"

Krimiliteratur soll vor allem spannende Unterhaltung bieten, klar. Oliver Bottini gibt ihr in seinem neuen Roman „Im weißen Kreis“, aus dem er im Rahmen des „Crime Cologne“-Festivals 2016 las, zusätzlich eine politische und zeitgeschichtliche Dimension.
Für die Kölner Journalistin Antje Deistler, die Moderatorin der Lesung, war schon der Start in die Veranstaltung ein Highlight: „Ich wusste nichts von einer Kulturkirche Ost in Köln, auch der Taxifahrer wusste von nichts – dabei ist es so schön hier!“ Auch Oliver Bottini hatte aus seinem Wohnort Berlin den Weg nach Buchforst gefunden, und so stand einem gelingenden Abend nichts mehr im Wege.
2006: „Ein anderes Deutschland“
Nach fünf Jahren Abstinenz hat sich der auch jenseits des deutschsprachigen Raums bekannte Autor wieder mit seiner Ermittlerin Louise Bonì beschäftigt. Ihr sechster Fall hat eine Dimension, die weit über das „Who done it?“-Prinzip üblicher Kriminalgeschichten hinaus reicht. Bottini verlegt „Im weißen Kreis“ ins Jahr 2006. „Das war ein anderes Deutschland damals“, sagte er. „Wir wussten nichts von den Morden der NSU, dafür gab es das Sommermärchen rund um die Fußball-Weltmeisterschaft – die Grundstimmung war fast heiter. Ich hatte das Gefühl, dass die Welt tatsächlich die Chance hat, schöner zu werden.“
Bottini maßt sich nicht an, das vertrackte Rätsel um Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Bönhardt lösen zu wollen: „Es ist der Hintergrund, der in der Geschichte mitschwingt.“ Die Ereignisse könnten also in ähnlicher Weise, vor allem mit einer ähnlichen Haltung der handelnden Personen geschehen sein. Über die Fiktion hat die Literatur also möglicherweise die Chance, der Wahrheit näher zu kommen als das Münchner Gericht, dass die Causa NSU seit Jahren verhandelt.
„NSU-Fall wird nie gelöst“
Hier bezieht Bottini unzweideutig Stellung: „Was die Staatsanwaltschaft in München veranstaltet, ist ein Skandal.“ Er ist sich sicher: „Der NSU-Fall wird nie gelöst werden. Die staatlichen Behörden haben einfach zu wenig Interesse an Aufklärung.“
Louise Bonì lässt sich nicht abschütteln. Trotz ihrer Verwundbarkeit – sie ist alleinstehend und trockene Alkoholikerin – hört sie nicht auf, um die Wahrheit zu kämpfen. „Ich möchte mit ihr einen Blick auf die Gesellschaft werfen – durch die Augen einer Frau.“ Das scheint auch diesmal wieder wunderbar zu funktionieren. Die Jury des Festivals setzte „Im weißen Kreis“ auf die Shortlist des „Crime Cologne Awards“.
Zur Website von Oliver Bottini.
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