Ausstellung
"Jeder ist verantwortlich" — Plakatkünstler Klaus Staeck

Klaus Staeck, Deutschlands bekanntester Plakatkünstler, eröffnete vor vollem Haus höchstpersönlich die Ausstellung „Kunst für alle“ mit einer Auswahl seiner Arbeiten. Diese waren – wie für Staeck typisch – für kleines Geld zu erwerben.
„Labern können sie alle“, sagt – wenig fein – der Volksmund . Nur wenigen hingegen ist es gegeben, dass man ihnen gerne zuhört. „Du bist ja ein begadeter Redner“, staunte Jürgen Becker, einer der zahlreichen Besucher der Ausstellung „Kunst für alle“, die Klaus Staeck in der Kulturkirche Ost eröffnete. „Es war ein Vergnügen, Dir zuzuhören!“ Das Lob des bekannten Kölner Kabarettisten beantworte Staeck pragmatisch: „So eine Vernissage ist ja keine Beerdigung. Sowas muss immer auch unterhalten.“
Kurz zuvor hatte Professorin Irene Daum von der Universität Bochum, die eine Einführung in Leben und Werk des seit den 1960er Jahren deutschlandweit bekannten Plakatkünstlers gab, eine Frage gestellt und das Mikrofon an Staeck weitergereicht. Der ließ sich nicht zweimal bitten: „Wenn Sie mir das Mikro geben, müssen Sie damit rechnen, dass ich’s behalte.“ Und tatsächlich: Daum kam nicht mehr zu Wort.
Dass die folgende Ansprache des 78-jährigen nicht zur eitlen Selbstver- gewisserung eines altgedienten Veteranen verkam, lag an der Art und Weise ihres Vortrags – und an der erfrischenden Offenheit des Vortragenden. Dirk Kästel von der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit der GAG fasste es im Anschluss so zusammen: „Ich hoffe, wir nehmen alle was mit von Ihrem Elan, sich nicht alles gefallen zu lassen.“
Von Böhmermann bis Bitterfeld
Staeck sprach über Jan Böhmermann („Das Gedicht ist grottenschlecht, furchtbar. Aber es darf nicht sein, dass Erdogan mit seiner Klage durchkommt“), über seine Arbeit und das Scheitern als Künstler („Was haben wir schon bewegt? In meiner Heimatstadt Bitterfeld wählen mehr als 30 Prozent der Menschen AFD“), über die Veränderung der Welt durch das Internet („Wenn Sie Ihre Steuern nicht pünktlich zahlen, bekommen Sie sofort einen Säumniszuschlag. Konzerne wie Amazon zahlen überhaupt keine Steuern“), über sein unverdrossenes Engagement in der SPD („Im Augenblick ein sehr schwerer Job“) sowie über den Zustand der Politik („Die Politiker sind nicht an allem schuld. Wer soll unserer Probleme denn sonst lösen?“) und den Auftrag des Einzelnen in der Demokratie („Der Staat ist kein abstraktes Gebilde. Wir alle, die wir hier sind, sind verantwortlich“).
Die Plakate an den Wänden – darunter viele wohlbekannte Klassiker („Deutsche Arbeiter! Die SPD will euch eure Villen im Tessin wegnehmen!“) wirkten zu seiner Rede wie pointierte Kommentare. Die frühen Arbeiten zeigten ebenso wie die späten: Manche Themen kommen immer wieder – Müllberge, Wohnungsknappheit, Bildungsmisere, Verwaltungsschmlampereien, die Kluft zwischen Arm und Reich.
Apropos: Staeck kam es immer auf möglichst hohe Verbreitung seiner Kunst an, nicht auf Rekorderlöse. Entsprechend günstig ist sie auch in der Kulturkirche Ost zu erwerben: 60 Euro kostet ein handsigniertes Plakat, 1 Euro eine Kunstkarte. Der Erlös kommt sozialen Zwecken zugute.
Bei Kölsch und Cocktails – die Macher der Kulturkirche Ost feierten den tausendsten Unterstützer ihrer erst vor wenigen Wochen eingerichteten Facebook-Präsenz – nahm sich Staeck viel Zeit fürs Signieren von Karten und Postern und für persönliche Gespräche. „Ich bin Erstwähler“, sagte ein junger Mann. „Haben Sie einen Tipp für mich, was ich wählen soll?“ – „Das brauchen Sie mich als alten Sozi eigentlich nicht fragen“, entgegnete Staeck, um dann doch ganz ernsthaft zu antworten: „Das Wichtigste: Informieren Sie sich! Das mach ich auch immer noch.“
„Dolle Kirche hier!“
Spätabends ging der Zug zurück nach Heidelberg, wo Staeck nach seiner Übersiedlung aus der DDR heimisch geworden ist. Dass ein solch renommierter Künstler, jahrelang Präsident der Akademie der Künste in Berlin, sich auf den Weg macht, um eine vergleichsweise kleine Ausstellung wie diese („Dolle Kirche hier!“) selbst zu eröffnen, ist alles andere als selbstverständlich. „Ich komme gerne mit den Menschen ins Gespräch, deshalb fahre ich auch Zug“, erklärte er. „Leider kann ich in meinem Alter nicht mehr jede Einladung wahrnehmen.“
Umso erfreulicher, dass es diesmal geklappt hat. Wie antwortete Staeck auf Kästels Hoffnung, jeder Besucher möge sich an seinem Elan ein Beispiel nehmen? „Ich habe neuerdings einen Herzschrittmacher. Der gibt jetzt die Richtung vor.“
- Volles Haus bei der Eröffnung der Klaus-Staeck-Ausstellung
- Der Singende Türsteher“ und sein Kinderchor
Aktuelle Infos und Terminhinweise finden Sie auf der Facebook-Seite der Kulturkirche Ost.