"Mitarbeitende sind sensibilisiert"
Interview mit GAG-Ombudsmann Alexander Kirsch
Alexander Kirsch ist seit Anfang 2021 der Ombudsmann der GAG Immobilien AG. Im Gespräch stellt er seine Aufgaben und seine Erfahrungen nach einem Jahr in diesem Amt vor.
Herr Kirsch, was genau ist ihre Aufgabe als Ombudsmann?
Ich bin vertrauensvoller Ansprechpartner, wenn es um Korruptionsfälle oder auch nur den Verdacht von Korruption geht. In solchen Fällen können sich die Mitarbeitenden der GAG, aber auch deren Kunden und Geschäftspartner, Mieterinnen und Mieter, kurzum: alle, die geschäftlich mit der GAG verbunden sind, an mich wenden.
Was fällt unter den Begriff Korruption?
Eine klare Begriffsdefinition gibt es nicht. Unter Korruption sind sowohl strafbare Handlungen wie Untreue oder Betrug zu verstehen, aber auch ethisch-moralisch verwerfliche Praktiken. Eine klare Grenze zwischen Handlungen, die noch zulässig sind, und solchen, die schon als verwerflich im Sinne von Korruption angesehen werden können, ist nicht leicht zu ziehen. Es kommt, wie so oft, auf die konkrete Situation an. Die GAG hat einen eigenen Verhaltenskodex zu dem Thema aufgestellt. Da ist der Begriff anhand von Beispielen näher umschrieben.
Wie gehen Sie mit solchen Meldungen um?
Zunächst möchte ich betonen, dass sich niemand von einer Meldung an den Ombudsmann abhalten lassen soll, nur weil er oder sie nicht sicher ist, ob es sich in dem konkreten Fall tatsächlich um Korruption handelt. Solche Meldungen prüfe ich natürlich, bzw. leite sie an den Fraud-Ausschuss der GAG weiter, wenn es etwas kniffliger ist. Erst nach einer eingehenden Prüfung werden eventuell weitere Schritte eingeleitet.
In den Zusammenhang gehört auch der Begriff Compliance. Wie definieren Sie den?
Compliance als Oberbegriff bedeutet so viel wie „Regeltreue“. Es geht um die Einhaltung von Gesetzen und des ethisch-moralischen Grundkonsens‘. Dazu hat die GAG Regeln erstellt und in ihrem Verhaltenskodex niedergelegt. Diese Regeln gelten für alle Mitarbeitenden der GAG, einschließlich des Vorstandes und auch des Aufsichtsrates. Die Gesamtheit der Grundsätze und Maßnahmen der GAG zur Einhaltung bestimmter Regeln und damit zur Vermeidung von Regelverstößen wird von der „Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex“ als „Compliance Management System“ bezeichnet.
Was dürfen GAG-Mitarbeitende und was nicht?
Auch hierzu gibt der Verhaltenskodex Auskunft. Er enthält den Begriff der „Sozialadäquanz“, wenn es um Zuwendungen an GAG-Mitarbeitende geht. Nehmen Sie eine Einladung zu einem Essen, zu einem FC-Spiel oder zu einem Konzert. Solch‘ eine Einladung kann ein Geschäftspartner der GAG beispielsweise einem einzelnen Mitarbeitenden oder einer Abteilung als Dankeschön, z. B. für einen Auftrag oder auch nur zur Pflege der Geschäftsverbindung, zukommen lassen. Beliebt sind auch Geschenkkörbe oder Weinpräsente. Das sind zumeist kleine Aufmerksamkeiten, die eine gute Geschäftsverbindung auszeichnen sollen. „Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft“, heißt es ja so schön. Aber im Geschäftsleben ist das nicht so einfach zu handhaben, will man nicht in den Ruf der Bestechlichkeit kommen.
Sozialadäquat ist bei der GAG deshalb alles, was den Wert von 20 Euro pro Jahr, pro Zuwendung und pro Mitarbeitenden nicht übersteigt, Das ist wenig, wenn man bedenkt, was es heute dafür zu kaufen gibt. Darüber hinaus kommt es aber auch auf die Motivation der zuwendenden Person an, sodass im Einzelfall auch höherer Wert als 20 Euro als sozial adäquat bezeichnet werden kann. Deshalb sollte der Ombudsmann eingeschaltet werden, wenn Zweifel bestehen, ob eine Zuwendung angenommen werden darf oder nicht. Grundsätzlich gilt: Massenartikel wie Kugelschreiber oder Kalender dürfen angenommen werden. Lose, Gutscheine, Coupons oder auch Adventskalender, hinter deren Türchen sich wertvolle Geschenke verbergen können, sind dagegen kritisch und sind nicht mehr sozialadäquat. Also: besser Finger weg!
Geht es um die Vergabe von Wohnungen, dürfen GAG-Mitarbeitende definitiv nichts annehmen. Das gilt auch für die Wohnungsvergabe gegen „Provision“. Das ist nicht nur strafrechtlich relevant, sondern auch ethisch-moralisch für die GAG untragbar. Leider ist das ein Thema, welches nie ganz verschwindet.
Manchmal fällt es dem Fraud-Ausschuss schwer, Präsente an GAG-Mitarbeitende zurückweisen zu müssen. Beispielsweise hat ein Mieter, nachdem er eine GAG-Wohnung erhalten hat, zum Dank eine Feuerschale selbst gefertigt. Sehr schön und handwerklich perfekt gestaltet, mithin sicherlich wertvoll. Deshalb hat er sie auch zurückbekommen. Womit dem Schenkenden, der es wahrscheinlich gut gemeint hat, vor den Kopf gestoßen wird, was aber leider nicht zu ändern ist.
Mit dem Verhaltenskodex und E-Learnings wird das Thema regelmäßig in den Fokus gerückt. Kann da eigentlich überhaupt noch was passieren?
Ja! Denn die Grenze zwischen zulässiger und schon nicht mehr zulässiger Zuwendung verschwimmt bisweilen und ist nicht leicht zu ziehen. Ich erlebe aber immer häufiger, dass die Mitarbeitenden der GAG für das Thema Compliance sensibilisiert sind und die Problematik erkennen. Das ist gut! Dennoch gibt es immer wieder Fälle, in denen gegen den Verhaltenskodex verstoßen wird.
Werden Mitarbeitende, die ihre Kollegen bei Ihnen „verpfeifen“, nicht als „Nestbeschmutzer“ angesehen?
Zunächst: Ich bin als Ombudsmann kein Mitarbeiter der GAG, sondern eine externe Vertrauensperson für alle Mitarbeitenden der GAG.
Jede Person hat das Recht, anonym einen Sachverhalt mitzuteilen, von dem sie annimmt, dass er gegen die Compliance-Regeln verstößt. Ich stehe für die vertrauliche Behandlung der personenbezogenen Daten der informierenden Person ein. Aber auch bei Nennung des Namens wird dieser nur offen gelegt, wenn die Person dem zustimmt. Handelt es sich jedoch um strafrechtliche Sachverhalte, die auch bewiesen werden müssen, wird die anzeigende Person auf Dauer nicht umhinkommen, sich zu outen.
Wer Unregelmäßigkeiten, Verstöße gegen Straftatbestände oder gegen den Verhaltenskodex erkennt, darf zumindest nicht wegsehen. Damit würde sie oder er sich selbst angreifbar machen. Aber ja, ich verkenne nicht, dass diese Wachsamkeit auch zu einer Art Bespitzelung führen kann, die die GAG genauso verurteilt.
Wo sind denn überhaupt mögliche „Einfallstore“ bei der GAG?
Hier ist in erster Linie die Wohnungsvergabe zu nennen. Vor allem, weil aufgrund der Wohnungssituation in Köln Wohnungen der GAG sehr begehrt und leider rar sind. Auch könnten sich Interessenten an das Prinzip „man kennt sich – man hilft sich“ erinnern. Da sind aber genauso Lieferanten zu nennen, die versuchen, Mitarbeitenden der Einkaufsabteilung Zuwendungen zukommen zu lassen, um so an Aufträge zu kommen. Um dem entgegenzuwirken, gibt es nicht nur einen gesonderten Verhaltenskodex für die Mitarbeitenden im Einkauf, sondern auch ein allgemeines Rundschreiben „Antikorruption“, das alle Geschäftspartner der GAG erhalten.
Warum melden sich auch Externe bei Ihnen?
Kunden oder Dienstleister können auch das Gefühl haben, unfair oder ungerecht behandelt zu werden. Für diese Personen bin ich ein vertraulicher Ansprechpartner für mögliche Korruptionssachverhalte.
Wie viele Meldungen sind in Ihrem ersten Jahr bei Ihnen eingegangen?
Die reine Zahl ist überschaubar, wobei sich einige aber auch direkt an den Fraud-Ausschuss gewandt hatten. Bei den Meldungen handelte es sich nicht immer, bzw. nur in Ausnahmefällen, um tatsächliche Compliance-Sachverhalte. Die GAG-Mitarbeitenden sind schon mit dem Thema vertraut und haben ein Gespür dafür entwickelt, ob ein Sachverhalt möglicherweise mit dem Verhaltenskodex kollidieren könnte.