"Es gab eine große Solidarität"
Teamwork im Quartier: GAG und "Aktion Nachbarschaft"
Kreativität ist Trumpf, wenn eine Pandemie den Alltag auf den Kopf stellt. Von solchen kreativen Aktionen erzählen Christian Baack, Geschäftsführer der „Aktion Nachbarschaft“, und Jutta Ponsar, Sozialarbeiterin im Quartier bei der GAG.
Warum hat sich der Verein „Aktion Nachbarschaft“ hier im Viertel gegründet?
Christian Baack: Im Westend bin ich seit 2003 als Sozialarbeiter tätig. Ich betreute für Veedel e.V. das Projekt „Familienfreundlich – füreinander miteinander“. 2015 lief die Förderung aus. Daraufhin entwickelten wir ein Konzept, wie die Arbeit weiter aussehen könnte. Ein Bestandteil des Konzeptes war die Gründung eines Vereins mit partizipativen Ansätzen. Diese Idee wurde vom Land NRW gefördert. Die GAG bot uns ein erstes Netz als Träger an. Daraufhin gründeten 17 Menschen, unter anderem Nachbarn und Jutta Ponsar, den Verein.
Warum war Ihnen das wichtig?
Jutta Ponsar: Uns war klar, dass hier soziale Arbeit weiterhin stattfinden muss. Als die Förderung 2015 auslief und sich keine anderen Träger fanden, haben wir uns als Wohnungsbaugesellschaft darauf beworben, das Projekt zu fördern.
Wie sieht die Förderung aus?
Jutta Ponsar: Wir stellen dem Verein vier Wohnungen, den Familientreff und ein ehemaliges Waschhaus als Fahrradwerkstatt kostenlos zur Verfügung. Und wir geben finanzielle Zuschüsse.
Christian Baack: Wir haben einige Projekte, die wir ohne die GAG gar nicht machen könnten – vom Fahrradbüdchen über die Tafel bis hin zu einem Quartiershausmeister für Senioren.
Jutta Ponsar: Demnächst fördern wir zudem Nachhilfe und niederschwellige Angebote für Kinder.
Kommen wir zu Corona. Wie konnte ein Angebot wie die Tafel aufrechterhalten werden?
Christian Baack: Zum Verständnis: Die hiesige Tafel unterscheidet sich von anderen Tafeln. Hier packen ehrenamtlich engagierte Menschen und Quartiershelferinnen für Nachbarn Lebensmittel zusammen. So muss keiner um 10 Uhr anstehen und ein Nümmerchen ziehen. Die Bewohnerinnen und Bewohner melden sich im Vorfeld, weisen ihre Bedürftigkeit nach und holen dann die vorgepackten Pakete beim Familientreff ab, den die GAG uns zur Verfügung stellt. Das funktioniert so gut, weil die Packerinnen und Packer ihre Nachbarinnen und Nachbarn kennen.
Während des Lockdowns im April mussten wir die Tafel zunächst schließen. Aber nur für zwei Wochen. Schnell kam ein Aufruf von „Aktion Mensch“ für eine Corona-Soforthilfe. Wir erhielten Lebensmittelgutscheine für einen Supermarkt, die wir verteilen konnten. Dann organisierten wir eine Verteilung im Freien. Wir sind zuerst auf ein Freigelände des „Arbeitskreis für das ausländische Kind e. V.“ gezogen. Die betreiben hier gegenüber eine Kita. Solange diese geschlossen war, konnten wir die Räume als Lager nutzen. Nachdem die Kita wieder geöffnet war, nutzten wir einen stillgelegten Parkplatz der GAG. Dort bauten wir Pavillons und Tische für die Verteilung auf.
Jetzt in der kalten Jahreszeit läuft die Verteilung wieder im Familientreff. Wir haben die Anzahl der Ehrenamtlichen reduziert. Nur noch vier bis fünf, statt vorher zwölf Helferinnen stellen die Pakete zusammen, damit genug Abstand eingehalten werden kann. Wir haben auch über eine Container- oder Zeltlösung nachgedacht. Die ist aber nicht zu finanzieren.
Mussten Sie das Angebot dadurch einschränken?
Christian Baack: Im Gegenteil. Wir konnten sogar unser Angebot ausweiten, da uns die „Aktion Mensch“ stärker unterstützt. Wir verteilen jetzt an zwei Tagen die Woche Pakete statt vorher an einem. Und Menschen aus den umliegenden Gebieten können nun auch zu unserer Tafel kommen.
Von woher beziehen Sie die Lebensmittel?
Christian Baack: Die erhalten wir von die Tafel Deutschland e.V., die uns großzügig beliefert.
Wie sah es mit anderen Projekten aus wie dem Fahrradbüdchen?
Christian Baack: Das haben wir zunächst geschlossen. Dann aber kamen vermehrt Anfragen nach Fahrrädern.
Jutta Ponsar: Viele Leute konnten und wollten nicht mehr öffentliche Verkehrsmittel nutzen und brauchten plötzlich Fahrräder. Sie wussten nicht, woher sie günstig eins bekommen. Sie haben nicht das Geld, in einen Fahrladen zu gehen und für 1.000 Euro ein neues Rad zu kaufen.
Christian Baack: Deswegen öffneten wir recht schnell wieder. Zuerst mit Einzelterminen, im Sommer, als die Maßnahmen gelockert wurden, wieder für kleine Teams. Die Nachfrage war so groß, dass wir an einem weiteren Tag aufmachten.
Gab es weitere Projekte?
Christian Baack: Am Anfang der Corona-Pandemie haben wir Menschen zum Maskennähen motiviert und die Masken verteilt. In zwei Teams, eins hier und eins in Bocklemünd, wurden ungefähr 400 Masken genäht. Eine Frau aus der Kleiderkammer in Bocklemünd hat uns mit Stoff versorgt. Eine Nachbarin hat ihre Nähmaschine verliehen. Es gab eine große Solidarität. Die Masken haben wir dann in Seniorenhäuser der GAG verteilt. Der Quartiershausmeister und eine rüstige ältere Dame aus dem Haus haben die Masken an die Klinken der Seniorenwohnungen gehängt.
Es gibt noch eine nachbarschaftliche Einkaufshilfe, die wir ohne die GAG nicht umsetzen könnten. Ehrenamtler oder Quartiershelferinnen kaufen für ihre Nachbarn ein. Das Angebot wird hier sehr gut angenommen. Mehrere Menschen erhalten so wöchentlich ihre Lebensmittel.
Jutta Ponsar: Der Verein ist sehr präsent. Dadurch konnten wir in der Corona-Zeit seine Aktivitäten auch auf andere Gebiete ausweiten. So führte er beispielsweise Sozialberatungen in Vogelsang durch. Wir sind froh, so einen starken Partner an der Seite zu haben.