Nachwuchs in Aktion
Fußball, Boxen oder Klettern fördert die Gemeinschaft
Kicken im Soccer Cage
Mit einem großen Netz voller Fußbälle, das sie sich über die Schulter geworfen hat, steuert Vanessa Sabuncuoglu den Soccer Cage am Liverpooler Platz an. Der ist schon bevölkert: Etwa 20 Jungs verschiedenen Alters tummeln sich hinter dem Zaun und toben herum. Als die Trainerin die Anlage betritt, läuft ihr neugierig ein Kleinkind hinterher. Das wird kurz darauf von Raphael Tokgöz wieder nach draußen zu seiner Mutter eskortiert, die dort mit einigen anderen Frauen in der Sonne sitzt und den fußballspielenden Jungs zuschaut. „Er bleibt besser draußen, bevor er mit einem Ball abgeschossen wird!“, empfiehlt der Trainer. Schließlich geht es bei manchen, die hier kicken, schon richtig zur Sache: Das Training ist offen für Kinder von sechs bis zwölf Jahren, und alle sind voller Energie.
„Was ist das Erste, das Ihr macht?“, fragen die beiden Trainer ihre Schützlinge. Sofort gehen ein paar Finger in die Höhe: „Fünf Runden laufen!“ Los geht es, um erst mal warm zu werden. Danach wird die Gruppe in Zweier-Teams unterteilt, die jeweils gegen andere Zweier-Teams antreten. Ein paar Wartende fangen in einer Ecke eine Rangelei an. Raphael Tokgöz geht dazwischen. Die Beteuerungen, mit denen die beiden Streithähne dem jeweils anderen die Schuld zuschieben, wischt er mit einem lachenden „Glaube ich nicht“ beiseite. Schon haben die Jungen den Grund ihres Ärgers vergessen und machen wieder mit. Es sind solche Momente, die dem Training neben seinem Spaßfaktor auch einen pädagogischen Wert geben: Kinder und Jugendliche lernen durch den Sport, Konflikte spielerisch zu lösen und Differenzen zu vergessen, wenn es darum geht, ein gemeinsames Ziel zu verfolgen.
Trainer kommen selbst aus Chorweiler
Raphael Tokgöz und Vanessa Sabuncuoglu bieten das wöchentliche Training am Samstagnachmittag im Auftrag des Vereins KIDsmiling an. „Ich habe in meiner Gemeinde bereits die Kinder- und Jugendgruppe geleitet“, erzählt Vanessa. Hauptberuflich ist die 22-Jährige Finanzwirtin beim Finanzamt. Die Zeit für die Kinder – samstags zwei Stunden vor Ort, zusätzlich täglich etwa eine halbe Stunde für Vorbereitungen und gelegentliches Nachrichtenschreiben – nimmt sie sich gerne: „Mir macht es Spaß zu sehen, dass die Kinder glücklich sind. Wenn wir uns auf der Straße begegnen, freuen sie sich. Das ist auch für uns eine schöne Bestätigung.“ Selbst in Chorweiler aufgewachsen, weiß sie, dass Kinder aus diesem Veedel mitunter mit Vorurteilen konfrontiert werden. Davon lässt sie sich aber nicht aus der Ruhe bringen: „Schubladendenken begegnet einem oft. Manche denken, wer von hier kommt, hat kein Benehmen. Dann will ich ihnen erst recht das Gegenteil beweisen.“
Auch Raphael stammt aus Chorweiler. Der 25-jährige Elektro-Ingenieur schildert, dass es ihm wichtig ist, mit dem Training auch soziale Werte zu vermitteln: „Wenn Kinder mich mit ,Ey‘ ansprechen, sage ich ihnen, dass man so nicht mit einem Älteren reden kann.“ Viele der Kinder hätten wenig Geld und wenig Bildung, erzählt er, betont aber auch: „Es sind liebe Kinder. Es ist nicht schwer, sie zu mögen.“ Weil ihm das Strategische am Sport Spaß macht, geht er in seiner Tätigkeit voll auf: „Für jeden Fußball-Fan ist es der Traum, als Trainer auf dem Platz zu stehen.“
Großprojekt für 230.000 Euro
Um Leistungsdruck und Erfolg geht es allerdings nicht bei dem Training, das durch das Sozialmanagement der GAG initiiert wurde. Ziel ist es, den Kindern im Stadtteil ein Freizeitangebot zu machen und die neue Anlage am Liverpooler Platz zu nutzen. Die hat die GAG 2021 errichtet. Für das Großprojekt nahm das Unternehmen rund 230.000 Euro in die Hand, berichtet Thorsten Wegwerth, Teamleiter des Teams Außenanlagen der GAG. Der neue Soccer Cage ist Bestandteil der umfangreichen Modernisierung im Stadtteil, die die GAG derzeit durchführt. Zu den Besonderheiten des rund 375 qm großen Soccer Cages gehören der Boden und die Decke. Auf den Boden ist ein besonderer Fallschutzbelag aufgebracht, dessen leichte Federung bei Stürzen schweren Verletzungen wie Knochenbrüchen vorbeugt. Die Deckennetzkonstruktion verhindert, dass Bälle vom Soccer Cage auf den angrenzenden Parkplatz fliegen. Eine vergleichbare Anlage hat die GAG vor einigen Jahren in Buchheim bauen lassen.
Kurz zuvor waren auch von der Stadt drei zentrale Plätze im Stadtteil neugestaltet worden, ergänzt Lale Özgentürk vom GAG-Sozialmanagement. Zu den neuen, kostenlosen Angeboten für sportlich Aktive im Veedel gehören seither eine Kletterwand, eine Tischtennis-Anlage und der „Outdoor-Gym“ – also Gerätetraining unter freiem Himmel. „Der Bedarf ist absolut da“, so die Erfahrung von Thorsten Wegwerth. Sein Kollege Marvin Petry, der bei diesem Projekt die Projektleitung innehatte, beobachtete, dass der Soccer Cage vom ersten Tag an gut genutzt war. „Die Leute von der Gartenbaufirma wurden vorher schon immer gefragt, wie lange es noch dauert. Alle wollten, dass es schnell fertig wird.“ Anfängliche Sorgen wegen Vandalismus hätten sich als unbegründet erwiesen: Passantinnen und Passanten hätten vielmehr von Anfang an gut auf das neue Highlight neben dem Einkaufszentrum aufgepasst. Sozialarbeiterin Özgentürk ist davon nicht überrascht: „Fußball verbindet viele und ist ein absoluter Selbstläufer.“
Soccer Cage ist für alle zugänglich
Jede und jeder darf auf der Anlage trainieren. Außerhalb der Trainingszeiten von KIDsmiling finden sich Fußball-Begeisterte unterschiedlicher Altersgruppen privat zusammen. Auch Vereine wie z. B. der SC Lindweiler haben die Anlage schon für ihre Angebote genutzt. Weitere Aktionen, darunter auch Ferienprojekte, sollen in Abstimmung zwischen der Bezirksjugendpflege und dem GAG-Sozialmanagement stattfinden, erklärt Lale Özgentürk: „Niemand hat das Hoheitsrecht, aber alle gemeinsam haben einen Blick auf die Anlage.“
„Fußball zieht Kinder an“
Einfach mal ein bisschen toben, in der Gruppe spielen, kicken und Spaß haben, ohne unter Erfolgsdruck zu stehen: Genau das wünschen sich viele Kinder und freuen sich, wenn es dafür in der Nachbarschaft eine Gelegenheit gibt. Ein solches Angebot sind die kostenlosen Fußball-Trainings des Vereins KIDsmiling, die die GAG nicht nur in Chorweiler, sondern auch in Buchheim, Müngersdorf und Ehrenfeld unterstützt. „Zu uns darf sich auch trauen, wer nicht so sportlich ist. Bei uns geht es vor allem um soziale Werte“, beschreibt Dr. Sandra von Möller, Gründerin und Vereinsvorsitzende von KIDsmiling.
In Müngersdorf wird auf dem Spielplatz am Mansfelder Weg trainiert, in Ehrenfeld auf dem Bolzplatz am Helmholtzplatz. Und in Buchheim steht den Kids ein von der GAG errichteter Soccer-Cage zur Verfügung. Die GAG bietet die Trainings in ihren Quartieren an, weil die Kinder und Jugendlichen auf vielfältige Weise davon profitieren, erklärt Charlotte Kluth vom Sozialmanagement der GAG: „Mit den Trainings werden die Selbstmotivation der Kinder und Jugendlichen gestärkt und ihr Sozialverhalten gefördert. Unabhängig von Herkunft, Kultur und Geschlecht erleben sie Gemeinschaftsgefühl, lernen Verlässlichkeit, Durchhaltevermögen, stärken ihre Körperkoordination und entwickeln ein gesundes Körperbewusstsein.“
Teamgeist am Pescher Holzweg
Fester Bestandteil ihrer Freizeit ist für viele Kinder und Jugendliche aus Volkhoven/Weiler der Jugendtreff „Die Villa“. In der Einrichtung vom Sozialdienst katholischer Männer (SKM) unterstützt die GAG ein wöchentliches Fußballprojekt. Trainiert wird auf einem Gelände am Pescher Holzweg. Regelmäßig nimmt die Mannschaft an Turnieren der Offenen Kinder- und Jugendarbeit teil. Inzwischen ist ein großer Teamgeist entstanden, der zusätzliche Angebote in den Ferien verstärkt wird.
Kicken um Mitternacht
Jede Woche freitags um 22 Uhr ist es so weit: Dann treffen sich Jungs und junge Männer zwischen 16 und 27 Jahren in der Turnhalle der Gemeinschaftsgrundschule Ernstbergstraße in Blumenberg zum Fußballspielen. Warum so spät? „Wir machen das Angebot dann, wenn junge Leute Langeweile haben“, erklärt Andrej Braun. Er ist Referent bei der Sportjugend Köln, die schon seit einigen Jahren zusammen mit der GAG und der Stadt Köln das Angebot in Blumenberg realisiert. Beim Mitternachtsfußball könnten sowohl Energien als auch gelegentlich angestauter Alltagfrust durch gezieltes Auspowern kanalisiert werden. Im ganzen Stadtgebiet gibt es etwa 30 Projekte dieser Art, mehrere davon unterstützt die GAG.
Raum zum Austoben
So auch in Humboldt/Gremberg, im Jugendzentrum Gremberg. Dort findet ebenfalls freitags ein Mitternachtsfußball-Angebot statt. Neben dem Spaßfaktor ist es aus sozialpädagogischer Sicht eine gewaltpräventive Maßnahme. „Wir holen die Jugendlichen nachts von der Straße und geben ihnen Raum, ,überschüssige Kräfte‘ abzubauen“, so Birgit Schnieders und Damir Mihelcic vom Jugendzentrum. Die Kicker sind zwischen 14 und 21 Jahren alt und kommen überwiegend aus dem Stadtteil. Die Treffen fanden traditionell in der Turnhalle der Gemeinschaftsgrundschule Lohmarer Straße statt, mittlerweile und mit Unterstützung der GAG wurde der Mitternachtsfußball in die Soccerhallen des Cologne Sportscenters in Poll verlegt.
Im fairen Kampf mit Freunden lernen
Fairness ist wichtig – das sehen auch Jugendliche nicht anders. Aber was genau heißt eigentlich Fairness? Wie wird sie im Alltag gelebt? Kann sie erlernt werden? Dazu kooperiert die GAG mit der Sportjugend Köln bei einem Angebot, das junge Leute mehr packt als Verhaltensregeln aus dem Klassenzimmer: Boxen mit Gleichgesinnten. Jeden Freitag von 18 bis 20 Uhr findet das offene Training für Jugendliche bis 16 Jahren in der Kletterhalle Canyon Chorweiler statt.
Bei den Jugendlichen kommt das Projekt gut an. Boxen ist cool, macht Spaß, trainiert die Muskeln und macht den Kopf frei. Ganz nebenbei, dafür aber umso effektiver, entfalten sich weitere Effekte: Die Teilnehmenden lernen, warum es wichtig ist, sich an Absprachen zu halten, fair miteinander umzugehen und zu akzeptieren, dass alle unterschiedliche Fähigkeiten haben. Übungsleiter und Übungsleiterinnen mit pädagogischer und sportpraktischer Qualifikation koordinieren die Trainings und geben Impulse, mit denen sie den Jugendlichen dabei helfen, Sozialkompetenzen im Gruppengefüge zu verbessern. Regelmäßig können sie bei Turnieren und Aufführungen ihr sportliches Können unter Beweis stellen – das stärkt die Motivation zusätzlich. An erster Stelle steht aber der Spaß im Freundeskreis – Leistungsdruck gibt es beim Boxen im Canyon nicht.
Kraft- und Konditionstraining im Kölner Norden
Das Northside in Chorweiler-Nord wurde vor über 30 Jahren als Jugendtreff eröffnet. Seitdem haben von hier aus Pädagoginnen und Pädagogen schon viele junge Menschen aus dem Kölner Norden auf ihrem Weg begleitet. Die GAG kooperiert mit der Traditionseinrichtung und unterstützt ein regelmäßiges Fitnessangebot für Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 15 bis 25 Jahren. Das Angebot ist so vielfältig wie die Menschen im Quartier: Es reicht vom Krafttraining an Geräten bis zum Seilspringen, was Ausdauer und Koordination verstärken kann. Die regelmäßigen Fitness-Abende verbessern aber nicht nur Gesundheit und Kondition, sie stärken auch den Austausch mit anderen Menschen aus dem Stadtteil.
Grenzen austesten beim Klettern
Klettern, Wege in die Höhe entdecken und schauen, wie weit es geht – das steckt einfach in Kindern. Ist das Ziel dann erreicht, erleben sie Stolz und ein gestärktes Selbstbewusstsein. Kletterhallen sind eine gute Möglichkeit, genau das zu erleben. Doch nicht alle Familien können sich einen Besuch leisten. Um Jungen und Mädchen neue Erfahrungen beim Klettern zu ermöglichen unterstützt die GAG einen Kletterkurs für Kinder zwischen sechs und 13 Jahren. Immer mittwochs können sie im Canyon, der Kletterhalle mit Hochseilgarten in Chorweiler, mit einem geschulten Trainer lernen, eine Wand zu erklimmen.
Im Zentrum steht dabei der Teamgedanke. Um die Herausforderung zu meistern, müssen die Kinder sich gegenseitig unterstützen und einander vertrauen, denn verlässliche Zusammenarbeit ist beim Klettern die Grundvoraussetzung. Im Hochseilgarten und an den Kletterwänden gibt es unterschiedliche, zum Teil anspruchsvolle Parcours, auf denen die Kinder ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten erproben können. So erleben sie, wie man die eigenen Grenzen austesten, akzeptieren und dennoch gemeinsam ein Ziel erreichen kann.
An einer Außenwand des City Center Chorweiler hat die Stadt Köln im Sommer 2021 eine Boulderwand errichten lassen. Um Kindern Mut zu machen, die neue Spielfläche für sich zu erobern, unterstützte die GAG im Sommer ein offenes Angebot: Ein Trainer und eine Trainerin vom Canyon Chorweiler wurden beauftragt, neugierigen Jungen und Mädchen den Umgang mit den Kletterelementen zu zeigen. Eine ganze Ferienwoche lang konnten Kinder und Jugendliche zwischen sechs und 15 Jahren ihre Geschicklichkeit testen, unter Beweis stellen und verbessern. Spielerisch und unter Vermittlung unterschiedlicher Methoden brachten ihnen die Trainer den Trendsport näher. Da die Boulderwand sehr offen und eine Art Spielplatz ist, war jeden Tag viel los und auch einige Eltern haben zugeguckt. Weitere Angebote dieser Art sind in Vorbereitung.
Mit Sport neue Freunde finden
Neue Nachbarn, neue Freunde: Unter diesem Motto startete ein Sportprojekt in Blumenberg. „Wir haben in der Nähe ein neues Quartier an der Swinestraße gebaut, daher gibt es dort viele, die neu zugezogen sind. Unsere Idee war, die Kinder und Jugendlichen zusammenzutrommeln und sie miteinander in Kontakt zu bringen“, so Gregor Gebski-Wirtz vom GAG-Sozialmanagement.
Für die Umsetzung gewann er den Verein if – Initiative zur Förderung des Freizeit- und Breitensports e. V. Als zweiten Kooperationspartner holte sein Kollege Taner Erdener den Sportclub Lindweiler e. V. mit ins Boot. if wurde 1992 von Angehörigen des Institutes für Freizeitwissenschaften der Deutschen Sporthochschule Köln gegründet, um Jung und Alt zu mehr Sport im Alltag zu bewegen. Der Sportclub Lindweiler ist durch seine Fußballangebote im Kölner Norden den Jugendlichen bekannt. Gemeinsam stellten die beiden Vereine mit Leon, Malte und Murat drei Trainer, die an sechs Terminen Trainings anboten. Dafür nutzten sie den Outdoor-Parcours im Veedel, der ohnehin nicht weit entfernt von der neuen Siedlung liegt. Hier sind Geräte für Klimmzüge, Liegestützen und andere Übungen im Boden verankert; auch Klettern ist auf dem Gelände möglich.
So wurde mit dem Projekt auch gleich ein gemeinsamer Erfolg gewürdigt: Der erst 2021 eröffnete Outdoor-Parcours zwischen Langenbergstraße und Weichselring hat nämlich eine besondere Geschichte. Blumenberger Jugendliche hatten selbst bei der Bezirksvertretung Chorweiler mehr Freizeitmöglichkeiten im öffentlichen Raum beantragt. Das war die Initialzündung für den öffentlichen Parcours, dessen Geräte im Rahmen einer Bürgerbeteiligung ausgewählt wurden.
„Es gab ein Zirkeltraining an den Geräten, und auch gejoggt sind wir mit den Teilnehmern“, erzählt Gebski-Wirtz, der beim ersten Training selbst mit dabei war. Sport verbindet und vermindert Grenzen – dieses Fazit zogen die Beteiligten am Ende des Projekts.