Kultur in der Pandemie
Balsam für die Seele
Wunderliche Blüten in Kalk
Seltsame Wimpel hingen in Kalk, am Kalker Markt, auf der Remscheider Straße und anderen Orten. Auf den Stoffleibchen standen Sprüche wie „Wenn Corona kommt, blas‘ ich ihn weg“ oder „Bleibt alle gesund und haltet durch“. Woher kamen die Wimpel? Was hatte es damit auf sich? „Eigentlich wollten wir die Menschen im Veedel im Frühling und im Sommer einladen, ihre Wohnumgebung im Rahmen des Programms ‚Gartenstadt Kalk Nord‘ farbenfroh zu bepflanzen“, sagte die Bildhauerin Britta Frechen bei der Präsentation des Projektes. Corona machte ihnen einen Strich durch die Rechnung. Also dachten die Künstlerin und Tommi Grusch, Sozialarbeiter und Leiter des Stadtteilbüros Kalk-Nord/Veedel e.V., um: „Wenn die Bewohnerinnen und Bewohner nicht zum Gärtnern zu uns kommen können, gehen wir zu ihnen.“ Mit einem Handwagen, beschriftet mit „Wunderliche Blüten Werkstatt“, zogen sie durch die Kalker Straßen. Im Gepäck: Wimpel und Textilfarbe. Britta Frechen und Tommy Grusch luden Kinder und Erwachsene ein, ihre Botschaft zur Corona-Pandemie auf den Stoff zu schreiben. Sie kamen so ins Gespräch mit den Veedelsbewohnern und hörten sich ihre Sorgen und Meinungen an. 250 Wimpel wurden beschriftet. Diese reihten sie an Schnüren auf und schmückten damit Kalk – als wunderliche Blüten. Material und Honorarkosten für dieses tolle Projekt übernahm die GAG.
Graffiti to go
Seit einigen Jahren betreibt der Künstler Jo Pellenz in der Siedlung Neurath in Höhenhaus eine Graffiti-Werkstatt für die GAG. Jungen und Mädchen ab zehn Jahren kommen einmal die Woche in den Keller, um Schablonen anzufertigen oder an einer Wand zu sprühen. Die Werkstatt ist mittlerweile eine Institution im Veedel, ein wichtiger Bezugspunkt für die Kinder und Jugendlichen. Dieser Bezugspunkt drohte im Lockdown verloren zu gehen, mühsam aufgebaute Beziehungen schienen gefährdet. Das musste verhindert werden. So dachte sich der Künstler ein Konzept aus, wie er und seine Kolleginnen und Kollegen weiterhin Kontakt halten konnten: Graffiti to go. Sie stellten Tüten zusammen, bestückt mit Mal- und Zeichenmaterialien, die er im Freien an 25 Kinder verteilte. In jeder Tüte befanden sich zudem Aufgaben für die Nachwuchskünstler. So sollten sie Buchstaben in einer Graffiti-Schriftart zeichnen und ausschneiden, eine Spraydose nachmalen oder eine Comicfigur zeichnen. Die Ergebnisse brachten die Jungen und Mädchen dann zurück zu Jo Pellenz, der weiterhin vor Ort anwesend war. So blieben alle in Kontakt. Als im Sommer gemeinsames Arbeiten wieder möglich war, konnte er viele bekannte Gesichter aus den Vorjahren wieder begrüßen.
Kunst in kleinen Teams
Seit vier Jahren verschönern Kinder und Jugendliche in den Ferien die Rückwand einer Tiefgarage in Bocklemünd. Unter Anleitung des Künstlers Wolfgang Sturm sprayen Jungen und Mädchen aus der Gegend abstrakte Formen an die Wand. Ostern 2020 sollte es weitergehen. Der Lockdown machte es unmöglich. Die Enttäuschung war groß; eine Alternative musste her. So entschieden Jutta Ponsar, Sozialarbeiterin im Quartier bei der GAG, und der Künstler, die Aktion auf Pfingsten zu verschieben – und unter strengen Corona-Vorsichtsmaßnahmen durchzuführen. In kleinen Gruppen, mit Maske ausgestattet, wurde das Werk über zwei Wochen weitergeführt. Nun strahlt die ganze Wand im farbenfrohen Glanz, und die Kinder und Jugendlichen hatten eine schöne Abwechslung in der Corona-Zeit.
Eine Schlange aus Stein
Sie steht für Zusammenhalt, gerade in einer schwierigen Zeit: die Steinschlange. Bunt bemalte Steine reihen sich aneinander, schlängeln sich entlang des Rasens und laden ein, den Garten der Seniorenanlage neu zu entdecken. Bemalt haben die Steine Seniorinnen und Senioren der Wohnanlage am Luxemburger Wall sowie Kinder und Eltern aus der Nachbarschaft. Die Idee entwickelten das Seniorennetzwerk Neustadt-Süd sowie das Sozialpsychiatrische Zentrum Lindenthal. Sie fragen sich: Wie können wir auch unter strengen Corona-Bedingungen den älteren Menschen eine Freude bereiten, sie beschäftigen und in den Garten locken? In Zusammenarbeit mit der GAG, der die Seniorenwohnanlage mit 230 Wohnungen gehört, besorgten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Steine und Stifte. Jede Mieterin, jeder Mieter erhielt ein Anschreiben mit Stein und Steinmalstiften. Dann legten sie los. Schon nach wenigen Tagen tauchten die ersten Steine im Garten auf. In den folgenden Wochen wuchs und wuchs die Schlange. Die Seniorinnen und Senioren fragten nach weiteren Steinen, Kinder beteiligen sich. Die Schlange bestand bereits aus mehreren hundert Steinen. Am „Tag der Nachbarschaft“ wurde das Mitmachkunstwerk dann feierlich eröffnet. Zur Erinnerung wurde die fertige Schlange fotografiert und als Postkarte für die Beteiligten gedruckt.
Zentangles an der Tiefgarageneinfahrt
Mitmachkunst im Wohnumfeld ist ein bewährtes Konzept für Ferienaktionen bei der GAG. Darauf mussten die Kids auch in der Corona-Pandemie nicht völlig verzichten. Die Künstlerin Nina Marxen hat sich eine Tiefgarageneinfahrt im traditionsreichen VingstVeedel der GAG ausgesucht, um diese unter Beachtung der Corona-Abstandsregeln zu verschönern. Eine Woche lang beschäftigten sich die Kinder und Jugendlichen in den Herbstferien mit so genannten Zentangles – Zeichnungen, die aus Formen mit immer wiederkehrenden Mustern aus einer Kombination aus Punkten, Linien, einfachen Kreisen und Kurven bestehen. Begeistert und mit Maske machten sich die Kids ans Werk und brachten die bunten Zeichnungen auf der vormals tristen Betonwand auf. Und von Anwohnerinnen und Anwohnern, die zu Fuß oder im Auto die Tiefgarage ansteuerten, gab es bewundernde und lobende Kommentare.
Der Dom in Weidenpesch
Weidenpesch wurde während der Corona-Zeit bunter. Verantwortlich dafür: der Künstler Matthias Furch und etwa 15 Kinder und Jugendliche. Im Juli verwandelten sie ein schmuckloses Stromhaus in eine farbenfrohe Fantasielandschaft. In kleinen, mit Masken ausgestatteten Teams, unter Einhaltung des Abstandsgebots, sprayten sie sehr unterschiedliche Motive an die Wände. So entstand eine Tür zum Kölner Dom, Fenster, hinter denen sich ein Aquarium verbirgt, oder ein Auge, das die Betrachter tief anschaut. Die Kunstaktion dauerte zwei Wochen und bereicherte die Ferienzeit der Jungen und Mädchen aus der Siedlung, die wegen der Pandemie nicht in Urlaub fahren konnten. Organisiert hatte die Aktion das Jugendhaus Dachlow in Weidenpesch, begleitet wurde es von Taner Erdener, Sozialarbeiter im Quartier bei der GAG, und der GAG-Kundenbetreuerin Anna-Katharina Wöhlecke.
Ein Comic für Ostheim
Der Künstler James Rizzi zeigt sich nun in Ostheim. Seine Figuren schmücken einen Abzugsschacht an der Rösrather Straße. „Das Motiv lehnt sich an die Malaktionen am Zugang und an der Einfahrt zur Tiefgarage an. Es sind fröhliche Comicfiguren – Menschen, Fische und Unterwasserpflanzen – im Stil von James Rizzi“, sagt die Künstlerin Renate Berghaus, die das kunstpädagogische Projekt begleitete. Insgesamt beteiligten sich knapp 30 Kinder an der Kunstaktion, die in den Herbstferien stattfand. Aufgrund der Corona-Bestimmungen durften maximal zehn Kinder pro Tag den Pinsel schwingen. Da alle vier Seiten des Abzugsschachtes bemalt wurden, konnte der Abstand problemlos eingehalten werden. Für Schwung wurde auch gesorgt: Zwischendurch trainierten die Kinder spontan für einen Gruppentanz unter Anleitung eines Nachbarkindes. Die Musik kam aus der Beatbox von Renate Berghaus.
Musik als Balsam
Die Sonne strahlte. Nicht nur die Sonne, sondern auch etwa 30 Seniorinnen und Senioren, als Michael (Michi) Hübner seine Gitarre auspackte und anfing zu singen. Die damalige Quartiersmanagerin Andrea Schnackertz von Zu Huss e. V., dem örtlichen Pflegedienst, hatte zu einem Innenhofkonzert gerufen. Eingeladen waren Bewohner und Bewohnerinnen des Seniorenhauses Pyrmonterstraße 16/Dortmunder Straße 26 in Buchforst. Etwa 100 Seniorinnen und Senioren leben dort in den altersgerechten Wohnungen der GAG. Aufgrund der Corona-Abstandsregeln konnten zehn von ihnen das Konzert auf Bänken im Hof verfolgen. Weitere gesellten sich auf ihren Balkonen und an den Fenstern dazu. Mit seiner offenen Art animierte der Künstler die älteren Damen und Herren zum Mitmachen. Einige sangen die bekannten kölschen Lieder mit, andere klatschten. Die Stimmung an diesem lauen Sommernachmittag war bestens. „In normalen Zeiten initiiert Zu Huss e. V. im Gemeinschaftsraum des Hauses tolle Angebote. Das war durch Corona nicht, beziehungsweise kaum möglich. So haben wir den schönen Innenhof genutzt“, sagt Anja Pendzialek, Sozialarbeiterin im Quartier bei der GAG, zu der Idee. Und Michi Hübner ergänzt: „Hofkonzerte sind Balsam für die Seele.“ Das spürten alle an diesem Tag.
Adventssingen im Hof
Was ist schöner, als sich in der Adventszeit mit weihnachtlichen Klängen auf die Festtage einzustimmen? Singen im Gemeinschaftsraum ging aufgrund der Pandemie-Bestimmungen nicht. Aber im Freien! So holte der Musiker Jochen ten Hoevel sein Akkordeon heraus und gab gleich drei Konzerte im Hof des Seniorenhauses Mechternstraße in Ehrenfeld. So konnte jede Seniorin, jeder Senior von seinem Balkon den weihnachtlichen und kölschen Liedern folgen und dabei schunkeln und naschen. Denn als kleine Aufmerksamkeit erhielten die Bewohnerinnen und Bewohner von der GAG noch einen Schokoladen-Nikolaus.