Masken, Blumen und mehr
Praktische Nachbarschaftshilfe
Nachbarschaft im Westend zu Corona-Zeiten
Seit Ende 2015 kümmert sich der Verein „Aktion Nachbarschaft“ um die Menschen im Bickendorfer Westend, speziell im Bereich um die sogenannten Y-Häuser am Ossendorfer Weg. Die Mitglieder betreiben eine Nachbarschafts-Tafel und das Bickendorfer Fahrradbüdchen, geben Nachhilfe und Sportkurse oder veranstalten Stadtteilfeste. Neben festen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern arbeiten rund 35 Personen aus der Nachbarschaft ehrenamtlich für den Verein. Die vier Y-Häuser, benannt nach ihrem auffälligen Grundriss, wurden 1973 errichtet und bestehen aus 188 Wohnungen, verteilt auf jeweils sieben Stockwerke. In der Vergangenheit wurden hier Menschen mit unterschiedlichen sozialen Problemen untergebracht, ohne die Gesamtsituation im Viertel im Blick zu halten. Heute gibt es einen Arbeitskreis mit der Stadt Köln, der für eine stabile Belegung des Gebietes sorgt. Der nachbarschaftliche Zusammenhalt zeigte sich durch verschiedene Aktionen in der Corona-Pandemie.
Masken als Türöffner in Chorweiler
Masken können dazu dienen, ins Gespräch zu kommen. Das zeigte die Maskenverteil-Aktion in Chorweiler. Zu Beginn der Corona-Pandemie, im April und Mai 2020, verteilten die GAG-Streetworker Roman Friedrich und Hassan Fakhir 141 Masken an Bewohnerinnen und Bewohner in Chorweiler. Die Masken stellte die muslimische Ahmadiyya Gemeinde kostenlos zur Verfügung. Frauen der Kölner Bait-un-Nasr Moscheegemeinde hatten sie selbst genäht.
„Wir wissen, dass viele russisch- oder türkischstämmige Menschen sich nur in ihrer eigenen Community bewegen. Sie hören auf Mund-zu-Mund-Propaganda und informieren sich ausschließlich über russische oder türkische Medien. So kommen sie in Kontakt mit Verschwörungstheorien und Fake News und nehmen die Corona-Pandemie nicht ernst. Deswegen war es von Anfang an unser Ziel, diese Menschen mit verlässlichen, wissenschaftlich fundierten Informationen zu versorgen“, erklärt der russischsprachige Roman Friedrich den Ansatz. Er und sein Kollege Hassan Fakhir eröffneten für diese Menschen WhatsApp- und Facebook-Gruppen. Darauf posten sie in Deutsch und Russisch in komprimierter Form Entwicklungen und Erkenntnisse über die Corona-Pandemie und Covid19-Erkrankungen. Mit großem Erfolg. Die Gruppen wachsen und die Artikel werden geteilt.
Ältere Menschen erreichten sie darüber aber nur unzureichend. Deswegen telefonierten die beiden Streetworker alle russischstämmigen Menschen ab 60 Jahren ab. Dabei hörten sie, dass viele kranke Menschen von der Versorgung abgekoppelt waren, da die Pflegedienste nicht mehr kommen konnten. Und dass viele Menschen sich keine Masken leisten konnten oder keine Gelegenheit hatten, an solche zu kommen. So wuchs die Idee, bedürftige Menschen mit Masken zu versorgen. Für die Aktion suchten sie einen Kooperationspartner, den sie in der Ahmadiyya Gemeinde fanden. Der Kontakt kam durch die Bürgerplattform „STARK! im Kölner Norden“ zustande, in der sich knapp 20 Gruppen, Gemeinden und Initiativen aus Chorweiler, Ehrenfeld und Nippes engagieren. Die genähten Masken wurden dann hygienisch verpackt über die Briefkästen verteilt.
„Die Menschen waren uns sehr dankbar. So hatten wir einen Fuß in der Tür und konnten mit ihnen über die Corona-Pandemie sprechen und Vorurteile abbauen. Die Masken waren unsere Türöffner“, so der Streetworker. Die Maskenaktion wurde mittlerweile auf andere Stadtteile ausgeweitet.
Kostenloses Mittagessen in Mülheim
Rund 26.000 Kölner Kinder und Jugendliche erhalten ein kostenloses Mittagessen in Schulen und Kindertagesstätten. Das dramatische Problem: Während der Corona-Pandemie gab es in den Kitas und den Offenen Ganztags-Angeboten keine Essensausgabe. Viele Familien in der Hacketäuersiedlung in Mülheim waren davon betroffen. Die Kinder und Jugendlichen erhielten zum Teil mittags keine warme Mahlzeit mehr, da ihre Eltern entweder sich diese nicht leisten konnten oder nie kochen gelernt hatten.
Was tun? Das Kolping Bildungswerk in Mülheim beschloss, einen mobilen Essensdienst für diese Kinder und Jugendlichen einzurichten. Dreimal die Woche kochten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bildungswerks für bis zu 50 Personen. Ehrenamtliche Mitglieder des Vereins „nachbarschaft mülheim-nord“ lieferten die Essensportionen dann per Lastenrad an zentrale Stellen in der Siedlung aus und verteilten sie zur Mittagszeit. Mit großem Erfolg. Täglich kamen mehr und mehr Kinder und Jugendliche. Wer sein Essen nicht kostenlos haben wollte, konnte auch Geld dafür in die Spendendose stecken.
Die Kosten für Lebensmittel und Logistik übernahm zunächst die GAG. In den folgenden Monaten beteiligten sich weitere Unternehmen und Partner an der Aktion, die unter dem Namen „Tischlein deck dich“ die Kinder und Jugendlichen bis zum Beginn des neuen Schuljahrs dreimal in der Woche mit einer warmen Mahlzeit versorgte.
Masken für die Nachbarschaft am Butzweilerhof
„Wie können wir in der Corona- Zeit unsere Nachbarschaft mit Mund-Nasen-Masken versorgen? Nicht jeder hat Zugang zu diesen Masken.“ Diese Frage stellten sich die Mieterinnen und Mieter aus dem Quartier am Butzweilerhof in Ossendorf gemeinsam mit dem Integrationslotsen der GAG, Gregor Gebski.
Daraus entstand die Idee des Projekts „Masken für die Nachbarschaft“. Drei Mieterinnen und Mieter, die in dem Quartier ihr neues Zuhause gefunden haben und aus einem anderen kulturellen Umfeld kommen, engagierten sich bei dieser Mitmachaktion. Gemeinsam nähten sie 128 Masken. Den Stoff besorgten sie selbst über Freunde und Bekannte sowie aus einem Stoffladen. Die fertigen Masken wurden dann hygienisch verpackt und zusammen mit einem persönlichen Schreiben und Infoflyer an die Bewohnerinnen und Bewohner am Butzweilerhof verteilt.
„Von Nachbarn, für Nachbarn“: Mit diesem Motto rückten die Menschen am Butzweilerhof – trotz der schwierigen Corona-Umstände und des notwendigen Abstandsgebots – enger zusammen und halfen sich gegenseitig.
Eine Tasche als Gesprächsstoff in Müngersdorf
„Wie bleiben wir im Gespräch mit den älteren Leuten?“ Das fragte sich das Seniorennetzwerk Müngersdorf. Vor der Pandemie bot das Team um Heidi Matheis gemeinsames Singen, Treffen im Grünen, Frühstück für Alleinlebende und viele weitere Aktivitäten für Seniorinnen und Senioren an. Das alles ging nicht mehr. Älteren Menschen, die sich auf die Zusammenkünfte freuen, drohten Bewegungsmangel und Langeweile. Dagegen wollte das Netzwerk etwas unternehmen. Die Idee: eine Tasche mit Freizeitangeboten, die sie scherzhaft Überlebenstasche nannten. In die Tasche kamen Gymnastikanleitungen, ein Theraband, Kreuzworträtselhefte und weitere Kleinigkeiten. 100 solcher Taschen wurden zusammengestellt und über den Linoclub, ein soziales Zentrum, verteilt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Linoclub und Seniorennetzwerk kamen so in Kontakt mit den älteren Menschen, hörten sich ihre Probleme an und zeigten: „Auch während der Corona-Pandemie sind wir für euch da.“ Gerne unterstützte die GAG dieses sinnvolle Projekt.
Im Gespräch bleiben mit Masken
„Herr Erdener, ich kann keine Flaschen mehr sammeln, nicht zur Tafel gehen und trinke meinen Kaffee ohne Milch, da ich mir die nicht leisten kann.“ Taner Erdener, Sozialarbeiter im Quartier bei der GAG, erhielt diesen traurigen Anruf von einer Seniorin. Für ihn war dies ein Schlüsselerlebnis in den Anfangstagen der Corona-Pandemie. Ihm war klar, dass der Kontakt zu den älteren Menschen gehalten werden muss. Denn sie sind besonders betroffen vom Lockdown. Nicht nur finanziell, wie in diesem Fall, sondern auch sozial, da sie weniger Kontakte nach außen haben. So wuchs die Idee, einfach zu sagen: Wir sind für Euch da.
Mitarbeitende der GAG verfassten ein Infoschreiben für die Seniorinnen und Senioren mit wichtigen Kontaktdaten der zuständigen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in den einzelnen Quartieren. Die älteren Menschen wussten so, wen sie in diesen schwierigen Zeiten bei der GAG anrufen konnten. Zusätzlich wurden Blumen als nette Geste und FFP2-Masken zum eigenen Schutz gekauft und in den Seniorenhäusern in Nippes und Niehl verteilt. „Wir sind teilweise Bindeglied zur Gesellschaft. Bei solchen Aktionen merke ich, wie notwendig unsere Tätigkeit ist“, so Taner Erdener.
In der Folgezeit gaben die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter der GAG immer wieder Masken aus. Mieterinnen und Mietern nähten Masken oder verliehen ihre Nähmaschinen. Die selbstgenähten Masken erhielten ältere Menschen und Menschen mit geringem Einkommen. So kamen die GAG-Mitarbeitenden ins Gespräch mit den Menschen, hörten sich die Probleme an und konnten helfen. „Die Hilfsbereitschaft innerhalb der Mieterschaft war sehr groß“, fasst Birgit Ebinger vom GAG-Sozialmanagement die ersten Monate der Corona-Pandemie zusammen.
Balkonien liegt in Bickendorf
Der Urlaub fiel aus, Balkonien war angesagt. Cafés und Biergärten blieben geschlossen, Homeoffice oder Kurzarbeit banden die Menschen zusätzlich an die Wohnung. Umso wichtiger war es, das Zuhause schön zu machen, die farbenfrohe Natur ins Heim zu holen. Das dachte sich auch das Café Bickolo, eine ökumenische Begegnungsstätte, und unterstützte die Bewohnerinnen und Bewohner des Bickendorfer Westends mit Blumenkästen. Ein ortsansässiger Blumenhändler sowie Patienten des Adaptionshauses, einer Therapieeinrichtung für Suchterkrankte, bepflanzten circa 100 Blumenkästen. Jede Mieterin und jeder Mieter konnte mit einem Gutschein seinen Blumenkasten abholen. Die Resonanz war riesig. Nach wenigen Tage blühten die Balkone im Viertel. Der Sommer wurde bunter im Westend.
Dat Wasser vun Kölle . . .
„Soll umsonst sein“ – zumindest für viele ältere Menschen in den Anfangstagen der Corona-Pandemie. Diese Idee hatte Baris Sahin, Inhaber einer Gerüstbau-Firma. Unter dem Motto: „Kostenloses Wasser für Oma und Opa“ fuhr er mit seinem Lkw durch Bickendorf, Vogelsang und weitere Veedel in Köln. Dort verteilte er palettenweise Wasser und Klopapier, das er zunächst aus eigener Tasche bezahlte. Denn viele Seniorinnen und Senioren konnten oder wollten in der Krise nicht vor die Tür.
Die Dankbarkeit bei den Empfängern war riesig, und das Engagement sprach sich schnell herum. „Wir fanden die Idee sehr gut und wollten uns daran beteiligen“, sagt Taner Erdener vom Sozialmanagement der GAG. Allerdings verbanden die GAG-Mitarbeiter das Verteilen mit einem persönlichen Gespräch. „Die Seniorinnen und Senioren sollten spüren, dass sie nicht alleine sind. Wir sind da, und sie können sich an uns wenden.“ Daher verteilten Baris Sahin und seine Frau mit einigen Helfern und Mitarbeitern der GAG Wasser und Toilettenpapier im Seniorenhaus Schiefersburger Weg in Bilderstöckchen. Die älteren Menschen waren gerührt, und es kam zu teilweise intensiven Gesprächen mit den Hausbewohnern, die so auch über ihre Sorgen und Ängste sprechen konnten.
Wir kaufen ein in Riehl
Was tun, wenn die Nachbarin oder der Nachbar nicht mehr einkaufen kann? Weil sie oder er krank ist oder zu einer Risikogruppe gehört und daher besondere Angst vor Covid-19 hat? Die Einkaufshelfer der Sozial-Betriebe-Köln (SBK) und der Gemeinnützigen Werkstätten Köln (GWK) erledigen das für diese Menschen. Während des ersten Lockdowns und darüber hinaus organisierte die GAG mit den beiden Trägervereinen einen Einkaufsdienst, der von den Seniorinnen und Senioren in Riehl gerne angenommen wurde. Einmal in der Woche bekommen sie nun ihre Lebensmittel vor die Tür gebracht.
Weihnachtsmann klopft an die Tür
Die Adventszeit und Weihnachten ist die Zeit der Besuche. Man trifft sich mit Freunden auf dem Weihnachtsmarkt, die Angehörigen besuchen Oma und Opa, Vater und Mutter. 2020 war alles anders. Enkel konnte nicht ohne Weiteres ihre Großeltern besuchen, das Zusammenkommen von Familie und Freunden war erschwert bis gar nicht möglich. Um den Seniorinnen und Senioren zu zeigen, dass die GAG an ihre Mieterinnen und Mieter auch in schwierigen Zeiten denkt, überlegten sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sozialmanagements eine spontane Weihnachtsaktion. Statt der sonst üblichen Weihnachtsfeiern in den 39 Seniorenhäusern gingen sie diesmal von Tür zu Tür und verteilten Weihnachtstüten mit Süßigkeiten. Ganz im Sinne als Fest der Liebe und Gemeinschaft kauften in Chorweiler Jugendliche die Süßigkeiten ein und halfen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Sozialmanagements beim Einpacken. Die beschenkten Seniorinnen und Senioren waren sichtlich gerührt.